Hintergrund
YOL, 1982, von Yilmaz Güney
Der Film Yol hat eine einzigartige Entstehungsgeschichte. Yılmaz Güney schrieb das Drehbuch zum Film während seiner Haftstrafe wegen des Mordes an Sefa Mutlu. Das Drehbuch war für damalige Verhältnisse sehr genau, es wurde Einstellung für Einstellung beschrieben, zum Teil mit Anweisungen auch für die Beleuchtung. Şerif Gören führte nach Anweisungen von Yılmaz Güney Regie. Und die Schauspieler übten mit Güney, wenn sie ihn im Gefängnis besuchten. Da im Film einige Sätze in der damals in der Türkei verbotenen kurdischen Sprache gesprochen werden, musste der Film zum Teil im Verborgenen gedreht werden. Der Film wurde stumm gedreht und der Ton erst später in Frankreich eingefügt. Nach nur 7 Jahren gelang Yılmaz Güney während eines Hafturlaubs zum Opferfest Bayram die Flucht. Er wurde von einer Yacht an der türkischen Küste abgeholt und musste wegen eines Schiffsdefekts in Rhodos an Land. Dort bestieg er mit einer gefälschten Schweizer Identitätskarte ein Flugzeug nach Paris. Gleichzeitig flog seine Frau Fatos Güney mit den zwei Kindern von Istanbul nach Genf. Damit Fatoş Güney ausreisen konnte, hatte Erika de Hadeln, die Direktorin des Filmfestivals von Nyon, für sie eine Berufung als Jury-Mitglied des internationalen Dokumentar-Filmfestivals von Nyon ausgestellt. In Frankreich, direkt an der Grenze zur Schweiz, wurde der Film danach zusammen mit Elisabeth Waelchli geschnitten. Der Film wurde 1982 in Cannes uraufgeführt und gewann die Goldene Palme.
LEO Sonnyboy, 1989, von Rolf Lyssy
Leo Sonnyboy entstand nach einem Drehbuch von Rolf Lyssy. Produziert wurde der Film vom Zürcher Unternehmen Edi Hubschmid AG, der heutigen umut-editions.com . Die Musik stammt von Ruedi Häusermann und Yello. Die Kamera führte Hans Liechti. Für die Rolle des Leo Mangold wurde Mathias Gnädinger verpflichtet, Christian Kohlund spielte Adrian Hauser und Ankie Beilke-Lau die Tänzerin Apia. Stephanie Glaser spielte Leos Mutter und Dieter Meier den Nachtclubbesitzer Willi. In weiteren Rollen traten Heinz Bühlmann und der Komiker Peach Weber auf. Die von Schweizern gespielten Rollen wurden im Dialekt gesprochen. Die Film- und Kinostatistik des Bundesamtes für Statistik nannte für den Film 131,592 Kinobesuche, womit er auf einer Rangliste der in der Schweiz erfolgreichsten Schweizer Filme von 1975 bis 2008 den 23. Platz einnimmt.
LIEBESERKLÄRUNG, 1988, von Ursula Bischof, Georg Janett und Edi Hubschmid
Die Wahl des Themas “Liebe“ für einen Kompilationsfilm:
Oft ist es die Feier eines Jubiläums, das Gedenken eines Geburt s- oder Todestages, die eine Retrospektive initiiert. Unabhängig davon kann auch ein bestimmtes Thema, das einen aktuellen Bezug hat, zu einer Rückschau anregen. Die Optik und der Standpunkt sind massgebend für die Auswahl und die Aussage. Der Schweizer Film, von seinen Anfängen bis heute, bietet eine reiche Auswahl von Themen, die in einer interessanten Abfolge zusammengestellt, viele Informationen über die Zeit und die Menschen geben können. Soziologische, politische oder historische Themen, wie beispielsweise das Militär, die Demokratie oder die Landschaft in der Schweiz, eignen sich für eine Filmmontage. Für einen Kinofilm muss der Unterhaltungswert für ein breiteres Publikum berücksichtigt werden. Das Thema „Liebe im Schweizer Kino“ zu wählen, erschien uns deshalb vielversprechender zu sein. Wir gehen davon aus, dass der Schweizer Film als Ausdruck einer nationalen Kultur für sich selber spricht. Dass er Aufschluss über die relevanten Fragestellungen, die dieses Thema in sich trägt, geben kann. Wie wurde und wird die Liebe dargestellt? Wie verhalten sich die Geschlechter zueinander? Welches Rollenverhalten wird vermittelt? Werden Tabus gebrochen ?
GLUT, 1983, von Thomas Koerfer
Kommentar von Thomas Koerfer: Heutige Sichtweise (1998)
Mein Ausgangspunkt für GLUT war die eigene Betroffenheit, dass mir in meinem Geschichtsunterricht die übertrieben willfährige wirtschaftliche Kollaboration der Schweizer Wirtschaft mit dem Dritten Reich verschwiegen worden war. Ich wurde 1944 geboren. Den Krieg kannte ich nicht aus eigener Erfahrung – wenn ich mich auch in frühkindlichem Erlebnis an das Geräusch der überfliegenden, alliierten Jagdbomber und die Suchscheinwerfer meine erinnern zu können – aber ich gehörte der ersten Nachkriegsgeneration an, und wollte die notwendigen, brennenden Fragen stellen:
Warum hatte die Schweiz denn wirklich dem Griff des Dritten Reiches entgehen können? Warum war sie der Punkt der Stille im europäischen Wirbelsturm geblieben, und mit welcher Politik war diese Stille erkauft worden? Diese Fragen prägen die Geschehnisse der Vergangenheitsebene des Films: Die Promet Werke des François Korb exportieren in grossem Umfang Waffen an das Dritte Reich, und mit ihm die anderen Zulieferanten der deutschen Rüstungsindustrie, z.B. die Uhrenfabriken im Jura, die die Zeitzünder an Deutschland liefern.
Auf der zweiten Zeitebene des Films, dem neuerlichen Besuch von Hanna Drittel in der Schweiz – zur Zeit einer martialischen Wehrschau in Zürich – bin ich der Frage nachgegangen, wie zum einen eine Nation mit einem selbsterrichteten Mythos etwa dreissig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg umgeht. Zum anderen wollte ich schildern, wie sich die Geschichte – das Unrecht, die Widersprüche – in den Gefühlen der Menschen verfangen haben. Und es ist erstaunlich, bis erschreckend, dass sich in einer neuen Fassung von GLUT die frühere «Gegenwartsebene» (vor gerade 15 Jahren) nahtlos durch eine heutige Gegenwartsebene ersetzen liesse. Wieder könnte ich Hanna Drittel in die Schweiz reisen lassen, und wiederum müsste sie wahrnehmen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sich gegen das Aufarbeiten der eigenen Geschichte stemmt, dass sich die Regierung nur unter grösstem Druck zur Konfrontation mit der Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg bereit erklärt hat. Und zusätzlich zu all dem würde Hanna Drittel Zeugin einer Welle von Antisemitismus sein, getragen von den konservativen Wirtschaftskreisen und von der Bundesregierung in keiner Weise eingedämmt, noch widersprochen. Ist die Schweiz wirklich das Land in Europa, das unfähig ist, seine eigene, jüngste Geschichte vorbehaltlos zu analysieren? Ist der erwachsen gewordene Andres Korb der typische Repräsentant für das kollektive Verdrängen?
Zu den Fragen nach den Konten der Holocaust-Opfer, den nachrichtenlosen Vermögen, zu der Hinterfragung der Rolle der Schweizerischen Nationalbank in Bezug auf die «Reinwaschung» des Raubgoldes werden sich in naher Zukunft die Fragen zur Kooperationsbereitschaft der Maschinen- und Waffenindustrie mit dem Dritten Reich gesellen. Banken und Wirtschaftskreise wissen um diese kommenden Fragen, sonst hätten sie sich nicht so schnell auf die Einrichtung eines Holocaust Fonds geeinigt. «Sie müssen sich für die kommende Diskussion über ihre Kriegsgewinne wappnen.» (Spiegel, 3.2.1997) GLUT stellte 1983 die Fragen nach der persönlichen Schuld und der wirtschaftlichen Kollaboration. Es macht mich betroffen, dass diese Fragen und somit der Film selbst heute immer noch so aktuell sind.
AZZURRO, 2000, von Denis Rabaglia
Der Titel des Films ist auch der Titel des weltbekannten italienischen Schlagers Azzurro von Paolo Conte (in seiner heute bekanntesten Interpretation von Adriano Celentano), der auch im Film mehrmals zu hören ist. Die Uraufführung fand am 12. August 2000 als Abschlussfilm des 53. Internationalen Filmfestivals von Locarno statt, bei dem Hauptdarsteller Paolo Villaggio mit einem Ehrenleoparden für sein Lebenswerk geehrt wurde. Der Film kam am 25. Oktober 2000 bzw. 25. Januar 2001 in die Kinos der französischsprachigen bzw. deutschsprachigen Schweiz. Es gibt eine komplette italienische und eine komplette französische Synchronisation des Films.
SEELISCHE GRAUSAMKEIT, 1961, von Hannes Schmidhauser
Der in Zürich im Studio, im Niederdorf und am Zürichberg gedrehte Film entstand in der Regie des beliebten Schauspielers Hannes Schmidhauser, der selber die Hauptrolle verkörpert. Es sei, schreibt Hervé Dumont in seiner Geschichte des Schweizer Films, der erste Versuch, mit Methoden, Schemata und Gewohnheiten der vorangegangenen Jahrzehnte zu brechen. Am Drehbuch haben der erfahrene Kameramann Otto Ritter und der spätere Musikkritiker Mario Gerteis mitgewirkt, der Film verdient, so Dumont zurecht, «trotz seiner Unzulänglichkeiten zu den Pionierwerken gezählt zu werden, die den ‚neuen Schweizer Film‘ ankündigen: das Autorenkino der Jahre 1960–70. (…) Was bleibt, sind bewundernswerte Aufnahmen von Otto Ritter, die durch ihren Schattierungsreichtum und ihre lyrische Atmosphäre bestechen sowie die eindrucksvolle und elegante Jazz-Partitur (Georges Gruntz).»
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